Die digitale Schlacht in der Türkei

 

 

Das Internet ist das wichtigste Kommunaktionsmittel für junge Türken, um den Widerstand gegen die Regierung Erdogan zu organisieren. Der türkische Premier Erdogan sieht soziale Netzwerke als „Bedrohung“. Die Regierung reagiert mit Festnahmen: 25 Beschuldigte seien bereits verhaftet worden, nach weiteren 13 wird noch gesucht.

 

Wie schon im Arabischen Frühling ist jetzt auch für die Hunderttausenden Demonstranten, die in den türkischen Städten gegen die islamisch-konservative Regierung demonstrieren, das Internet das wichtigste Kommunikationsmittel. Über soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook tauschen die Demonstranten Nachrichten, Aufrufe und Videos aus. Der türkische Premier Erdogan sieht soziale Netzwerke als „Bedrohung“. Die Regierung reagiert mit Festnahmen: 25 Beschuldigte seien bereits verhaftet worden, nach weiteren 13 wird noch gesucht.

 

Welches Ausmaß hat die digitale Kommunikation bei den Protesten?

 

„Twitter und Facebook sind Mobilisierungsplattformen. Geplante Protestaktionen werden über die sozialen Netzwerke sekundenschnell kommuniziert und ausgeweitet“, erklärt Burak Copur, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen. Die Demonstranten koordinieren sich, geben sich aber auch Ratschläge, etwa wie man mit Tränengas umgeht.

 

Der Kommunikationswissenschaftler Armin Scholl erläutert, dass die Protestler auf diese Weise ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln. In der Türkei bewegen sich im internationalen Vergleich besonders viele Internetnutzer auf Twitter und Facebook. Eine Studie des Internet-Marktforschers Comscore belegt, dass dort fast 17 Prozent der Internetnutzer twittern. In Deutschland sind es sieben Prozent.

 

Warum reagiert Premier Erdogan so heftig auf die Nutzer?

 

„Die sozialen Netzwerke sind wichtige Treiber dieser Freiheitsbewegung. Deswegen ist das für Erdogan ein ,Teufelswerk’. Er ist irritiert von dem Ausmaß der Proteste und nutzt Twitter und Facebook als Sündenbock“, mutmaßt Copur.

 

Die Regierung Erdogan steht schon lange auf Kriegsfuß mit dem Internet. In den vergangenen Jahren ließen die staatlichen Aufsichtsbehörden zeitweilig mehr als 5000 „schädliche“ Internetseiten sperren, darunter das Videoportal YouTube. Mit mobilen Störsendern, so genannten „Jammern“, versuche die Polizei, das Mobilfunknetz bei Protesten zu stören, berichten Augenzeugen.

 

Erdogan selbst unterhält zwei Twitter-Konten, eines auf Türkisch mit 2,7 Millionen Followern und eines auf Arabisch (314.000 Follower).

 

Wie berichten die traditionellen Medien in der Türkei?

 

Die türkische Presse sei durch Erdogan gleichgeschaltet, so Burak Copur. „Große TV-Sender zeigen seit Tagen Soap-Operas statt über die Ereignisse zu berichten. Das ist ein Armutszeugnis für die Presse- und Meinungsfreiheit“, sagt Copur.

 

Wie sicher sind soziale Netze?

 

„Die Botschaften in sozialen Netzen sind nicht überprüfbar, darum können sie leicht manipuliert werden“, sagt Kommunikationswissenschaftler Scholl. Potenziell bestehe die Gefahr, dass sich Gewalttäter, die keine politischen Absichten haben, einklinken und den Konflikt in die falsche Richtung lenken. Die Bewegungen der Protestler ließen sich zudem von Gegnern leichter nachverfolgen. Die Vorteile für die Demonstranten überwiegen dennoch bisher. „Ohne Twitter und Facebook wäre der Protest jetzt nicht da, wo er ist“, so Copur.

 

Christina Heße und Rebecca Engelbert

 

http://www.derwesten.de/politik/die-digitale-schlacht-in-der-tuerkei-id8033603.html